Dienstag, 9. April 2013

MoneyTube

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YouTube ist die relevanteste Videoplattform weltweit, Erfinderin der „viral Videos“. Von Musik über Dokumentationen, zu Comedy, Meinungen, Skandalen, historischen Videodokumenten, Urheberrechtsverletzungen, Kriegspropaganda, Footage und Unfug gibt es alles. Zumindest Anfangs wurde all das von Amateuren hochgeladen und oft auch produziert.
Seit einiger Zeit macht YouTube eine gewisse Evolution durch. Anfangs war das Portal völlig werbefrei (2005), 2007 wurde auf ausgewählten Kanälen (Partner-Channels) Werbung geschaltet. Heute regt sich wohl auch niemand mehr ernsthaft über die Werbung auf. Neben dieser vordergründigen Kommerzialisierung des Portals, die offensichtlich notwendig ist, denn der Betrieb der Server um die schätzungsweise 140 Mio Videos = 1 PetaByte (2012) zu speichern und bereitzustellen wird wohl einiges kosten, läuft eine hintergründige Professionalisierung der YouTube-Kanäle ab.

Die Professionalisierung zeigt sich u.A. darin, dass sich YouTube-Stars entwickelt haben die wöchentliche Shows moderieren, in gestochen scharfem HD mit ausgefeilten Schnitten, Überblenden und in Fernsehsprech (z.B. „Matz ab“). Dass die bekannten Stars alle von großen (millioneneuroschweren) Netzwerken produziert und vermarktet werden ist wohl bekannt. Zum Beispiel stehen Y-Titty und Apecrime bei Mediakraft unter Vertrag und Ray William Johnson (RWJ) war bei Maker Studios unter Vertrag. Hier macht sich übrigens die erste Ernüchterung der Professionalisierung breit: Die massive „Cross-Promotion“, d.h. dass bekannte YouTuber in anderen „befreundeten“ Kanälen auftreten ist keinesfalls aus Eigeninitiative dieser (ehemaligen) Ameteuren  entstanden, sondern eines der Marketingwerkzeuge dieser Youtube-Netzwerke. Neben dieser Ernüchterung beim Zuschauer führt der massive Fluss von Geld durch das YouTube-Werbesystem zu handfesten Streitigkeiten, die z.B. zum Bruch zwischen RWJ und Maker Studios führte.

Neben dieser von Außen geführten Professionalisierung von YouTube wurden Ende 2012 in Deutschland von YouTube selbst so genannte “original channels” eingeführt. Hierbei handelt es sich um Kanäle auf YouTube die in Zusammenarbeit mit bestehenden Produktionsfirmen betrieben werden: YouTube beteiligt sich an den Produktionskosten und behält dafür einen Teil der Werbeeinnahmen ein. YouTube erzeugt bzw. beteiligt sich selbst an der Produktion von Inhalten. Dies ist ein neuer Schritt in der Entwicklung von YouTube und ein Bruch mit dem alten „Nur-Plattform-Dasein“.
Was ist nun eigentlich mein Problem? Mein Hauptproblem ist, dass die Tätigkeiten dieser Netzwerke und Original Channels komplett intransparent sind. Vordergründig werden die von den Netzwerken produzierten Kanäle als Amateur-Videos (zwar in HD) präsentiert, wohlwissend, dass die Zuschauer auf YouTube Amateure sehen wollen. Wäre dem Durchschnitts-YouTube-Zuschauer klar mit welcher Professionalität (d.h. mit Skriptschreibern, Drehbuch und Maske) seine Lieblingssendungen produziert würden, wäre der Glanz sehr schnell verflogen. Denn mit den Formaten im Fernsehen können die YouTube-Formate qualitativ nicht mithalten, trotz der neuen Geldmittel ist es meistens nur Klamauk. Dieser Klamauk wird nur geschätzt, weil man annimmt, dass es Leute wie du & ich sind die diesen Klamauk in ihrer Freizeit zum eigenen Spaß produzieren (nicht um Geld zu verdienen).
Durchforstet man dieses Netzwerk-Dickicht, so kann man übrigens auch die Gäste der nächsten Woche der einzelnen Kanäle vorhersagen.
Vor ca. 1 Monat endeckte ich den Kanal OnkelBernisWelt (OBW). Laut eigener Ansage die erste  und einzige Late-Night Show auf YouTube. Das Konzept ist witzig und die Sendung qualitativ hochwertig. Nun fand ich heraus, dass OBW ein “original channel” ist, produziert von First Entertainment (Tochterfirma von Bavaria Film). Dieser Fakt erklärt nun auch die Auswahl der Gäste in der Show, z.B. „Bonnie Strange“ vom Kanal eNtR berlin (von UFA produziert, auch “original channel”) sowie Trigger.TV (auch von UFA produziert). Erwarten kann man nun als zukünftige Gäste alle anderen “original channel”-YouTuber sowie YouTuber dessen Channels auch von Bavaria oder UFA produziert werden. Völlige Ernüchterung, die YouTuber laden nicht „coole“ Leute ein,  sondern Leute die „vom Management“ einzig zur Klickoptimierung auserkoren werden. Leider ist nicht bekannt wer wo unter Vertrag steht, die Zuordnung muss also invers geschehen. D.h. wenn A bei B auftritt, dann muss man davon ausgehen, dass diese im gleichen Netzwerk.
Was lernen wir daraus? YouTube ist längst kein Amateur-Verein mehr, dort tummeln sich die großen Filmriesen, bloß dass sie in den Vorspannen ihre Logos weglassen. Das verwundert, da in herkömmlichen Fernsehproduktionen diese Logos ziemlich groß und am Anfang sowie Abspann zu finden sind.
Alle Kanäle die mehr als 5000 Abonnenten haben, sind mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mit einer dieser Netzwerke/Produktionsfirmen verwoben. In wie fern diese auch die Inhalte beeinflussen weiß niemand. Mir ist das aufjedenfall alles sehr Suspekt. Je intransparenter desto suspekter.