Das Internet als virtuelle Nation und Bindeglied der Zivilisationen
In den Zeiten der Globalisierung gibt es die einen, die die Weltnation in greifbarer
Nähe sehen und die anderen, die die Nationen als einzig mögliche Ordnungseinheiten
sehen, die uns vor dem unvorhersehbaren Chaos einer vereinten Weltgemeinschaft
schützen können. 1993 schürte Huntington mit „The Clash of Civilizations“ die Angst
und erregte die Gemüter durch seine Prophezeiung, dass ideologische und
ökonomische Faktoren als fundamentale Ursache von Konflikten zwischen
Völkern und Nationen an Wichtigkeit verlieren werden, dagegen werden die
grundlegenden Ursachen der großen weltpolitischen Konflikte kultureller Natur
sein.
Seiner Ansicht nach werden zwar Nationalstaaten die mächtigsten Akteure
der Weltbühne bleiben, aber die Hauptkonflikte der Globalpolitik
werden zwischen Nationengruppen und verschiedenen Zivilisationen
auftreten. Der Zusammenprall der Zivilisationen wird die Weltpolitik
dominieren.
Seine
Prophezeiung ist als selbsterfüllend zu bezeichnen, da Huntington Zivilisationen über
ihre Bruchlinien zu anderen Zivilisationen definiert und, wie einige Autoren
anmerkten,
aufgrund der Rückwirkung seiner Thesen auf öffentliche Debatten. Bruchlinien sind
offensichtlich genau die notwendigen Bedingungen für Konflikte. Andererseits stellt
Huntington die Nation als ein nur vorübergehendes Ordnungselement der
Weltgemeinschaft dar, das aus den früheren, kleineren dynastischen Ordnungseinheiten
(„Princes“) emergierte und in der höchsten Ordnungseinheit „der Zivilisation“
mündet.
Ich beginne diesen Essay mit Huntingtons „The Clash of Civilizations“ weil er ein
prominentes Beispiel eines populärwissenschaftlichen Aufsatzes ist, der nicht scharf
umgrenzte Begriffe wie „Zivilisation“ und „Nation“ benutzt und aus diesen dann
versucht alternativlose Zukunftsszenarien zu entwickeln. Welche Vorhersagekraft
können solche Szenarien überhaupt haben, wenn die zugrundeliegenden Begriffe sich
der Objektivität größtenteils entziehen?
Da Huntington zur Definition der Zivilisation die gleichen Merkmale angibt wie
auch ab dem 18. Jahrhundert versucht wurde den Begriff der Nation zu
erfassen, als Menschengruppe mit gemeinsamer Kultur, so kann man sich
die Frage stellen, wo überhaupt der qualitative Unterschied zwischen den
zukünftigen „clashs of civilizations“ und den historischen „clash of nations“ liegen
mag. Es lässt sich einzig ein quantitativer Unterschied zwischen Nation und
Zivilisation ausmachen. Die Zivilisation steht in der Hierarchie der kulturellen
Heterogenität eine Ebene höher als die Nation. Aber aus diesem quantitativen
Unterschied konstruiert Huntington qualitative Verschiebungen in der Weltpolitik
.
Zwar unterschlägt er die massive Verkürzung der realen
Distanzen durch die Globalisierung zwischen Menschen der Welt
nicht,
die zu einer „erhöhten Anzahl von Interaktionen“ zwischen Menschen unterschiedlicher
Zivilisationen führt, aber er schließt daraus fatalistisch und ohne andere
Möglichkeiten abzuwägen, dass es daher zu erhöhtem Konfliktpotenzial kommen
muss.
Ganz klar war das Internet 1993 noch nicht so omnipräsent und immer verfügbar wie
heute, aber die Tendenz der Entstehung eines globalen, frei verfügbaren,
Kommunikations- und Informationsnetzwerkes waren auch damals schon
ersichtlich.
Warum sollte dieser Quantensprung in der internationalen Kommunikation nun nicht
genau das Gegenteil bewirken, den „agree of civilizations“
K.W. Deutsch entwickelte in seiner Dissertation 1953 das seitdem viel
beachtete Konzept des Volkes als „Personengruppe mit komplementären
Kommunikationsgewohnheiten“ und der Nation als ein „Volk, das Kontrolle über
eigene Institutionen gesellschaftlichen Zwanges gewonnen hat, was eventuell zu einem
voll ausgebildeten Nationalstaat führen kann.“ D.h. eine Gemeinschaft ist nicht
einfach deshalb eine Gemeinschaft, weil es Gemeinsamkeiten wie Nachbarschaft,
Sprache, Kultur, Geschichte oder Tradition besitzt, sondern weil es daher effektiver
Kommunizieren kann. Mit diesem Blick wird klar, dass das Internet als das
bislang effektivste Kommunikationsmittel der Menschheit, die momentane
Weltordnung der Nationalstaaten gewaltig verändern wird und zwar nicht
einfach hin zu Übernationalstaaten in Form von Zivilisationen wie Huntington
prophezeit.
Denn aufgrund des globalen, dezentralisierten, zeitlosen, günstigen, einfachen, digitalen,
individuellen, immateriellen, sicheren, geheimen und anonymen Charakters des
Internets
sowie dem erhöhten Bildungszugang aller Menschen und damit der massiven
Verbreitung von Englisch als Lingua Franca, wird die Kommunikation auch
zwischen Menschen, die nicht Mitglieder gleicher Nation oder gar Zivilisation
sind, effektiver. Und gerade das ist laut Deutsch ein Baustein hin zu einer
gemeinsamen Nation. Daher spreche ich beim Internet von einer „virtuellen
Nation“.
Im Folgenden soll kurz die Definitionsgeschichte des Begriffes „Nation“ umrissen
werden, um dann zu erörtern in wie fern man das Internet als Nation bzw. virtuelle
Nation bezeichnen kann.
Definitionsgeschichte des Begriffes „Nation“
Beginnen möchte ich mit einem Zitat bezüglich der Eingrenzung von „Nation“ des
britischen Ökonom und Verfassungstheoretiker W. Bagehot (1826- 1877):
„Wir wissen, was es ist, solange uns niemand danach fragt, aber wir können es nicht sofort erklären
oder definieren.“
Es wird sich herausstellen, dass knapp 150 Jahre später dies eigentlich die einzige
Konstante der Definitionsversuche von „Nation“ ist.
Ansonsten kann man konstatieren, dass der Nationbegriff irgendwo zwischen Volk, Land
und Staat angesiedelt ist. „Eine genaue Begriffsbestimmung ist regelmäßig mit der
Schwierigkeit konfrontiert, die Nation zum Volk einerseits und vom Staat andererseits klar
abzugrenzen.“
Angefangen bei J. G. Fichte (1762 - 1814), der jedem Volk einen Nationalcharakter
zuordnete, also gewisse Eigenschaften bestimmten Nationen zuordnete, entbehren die
meisten Definitionen jeglicher messbaren Observablen. So versuchte Otto Bauer
(1881-1938) den Grundgedanken des Nationalcharakters so zu präzisieren, dass er mit
der offensichtlichen Beobachtung, dass der Nationalcharakter nur einer unter
vielen, wenn überhaupt, marginaler Charakterzug eines Individuums ist, in
Einklang steht. Bei der Suche nach einer objektiven Observablen in den
gemeinsamen Eigenschaften eines Volkes versuchte er diese im „gemeinsamen
Schicksal“ zu finden, welches als immer währende Kraft auf die Mitglieder
eines Volkes einwirkt und sie zu einer Nation „zusammendrückt“ in eine
„Charaktergemeinschaft“.
Im Endeffekt blieben alle Definitionsversuche in dem Ansatz stecken möglichst
objektive Abgrenzungsmerkmale zwischen Menschengruppen zu finden. In der
Hochphase der Nationbildung im 18. und 19. Jahrhundert wurden so schließlich alle
in Frage kommenden Merkmale, anhand derer sich Gruppen unterscheiden
lassen, durchkonjugiert. Immerhin konnte Meinecke (1862-1954) zu einer
Klassifizierung dieser vielen Nationsdefinitionen nach Staatsnation und Kulturnation
einführen. Ernest Renan (1823 - 1892) widersprach als einer der wenigen der
Notwendigkeit der Gemeinsamkeit von Rasse (heute hätte er wohl das Wort Ethnie
verwendet), Sprache, Religion, Territorium und legte den Schwerpunkt auf die
gemeinsam ertragene Geschichte und dem Willen zur gemeinsamen Zukunft
als Nation und hebt damit in ersten Ansätzen die Gemeinsamkeiten der
Nation in explizit nicht messbare Eigenschaften bzw. auf die Subjektive
Ebene. Die Nation ist bei ihm eine reine Imagination - eine kollektive gleiche
Willensentscheidung.
Neben den schon erwähnten Beiträgen Deutschs der eine Nation als Gruppe mit
Kommunikationsvorteilen sieht, muss aber auch noch die Definition der Nation als
„eine vorgestellte politische Gemeinschaft — vorgestellt als begrenzt und
souverän.“ von B. Anderson erwähnt werden („imagined Community“). Demnach
existiert die Nation hier explizit nur in den Köpfen, da ihre Mitglieder sich
aufgrund der Vielzahl nicht alle kennen können und trotzdem die Vorstellung
einer Gemeinschaft haben (Wohingegen Renan dieser Gedanke wohl nur
implizit unterstellt werden kann). Außerdem kann so der Definitionsansatz
umgekehrt werden: Es ist nicht zuerst die Gemeinschaft da, die sich dann
zu einer Nation aufschwingt, sondern der (wie auch immer zustanden
gekommene) Korpus der Nation formt aus seiner Menschenbefüllung erst die
Gemeinschaft bzw. stellt die Grundlage der vermeintlichen Gemeinsamkeiten der
Menschengruppe.
Schon Schopenhauer (1788-1860) hatte wohl diesen Gedanken, dass erst die Nation
selbst gemeinschaftstiftend ist und nicht andersherum, als er etwas deprimiert
niederschrieb: „Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er
verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die
er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen
Millionen teilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler
seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten
erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er
stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade
angehört, stolz zu sein. Hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit,
alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu
verteidigen.“
Zusammenfassend besteht die Definition der Nation aus objektiven und subjektiven
Elementen. Eine Menschengruppe, mit gewissen gemeinsamen Eigenschaften wie
räumliche Geschlossenheit des Siedlungsgebietes, gemeinsame Abstammung,
Sprache, kulturelle Tradition, Geschichte, besondere psychische Wesensart und
Gemeinschaftsbewusstsein die sich von anderen derartigen menschlichen
Gemeinschaften unterscheiden. Wobei aber keine der angeführten Charakteristiken
notwendig oder hinreichend wären. Welche Eigenschaften wichtig sind, sind rein
subjektiv bestimmt, gar ist die Gemeinschaft nur eine Vorstellung und ihre
Präferenz gegenüber Anderen rührt aus der effektiveren Kommunikation im
Inneren der Gemeinschaft als mit Außenstehenden her. Zusätzlich soll eine
solche Gemeinschaft den Willen besitzen eine dauerhafte und selbstständige
Existenz zu führen, über deren Form sie selbst entscheidet und sich in der
Bereitschaft der Angehörigen dieser Gemeinschaft ausdrückt, Opfer für sie zu
erbringen.
Internet als virtuelle Nation
Den vorherigen Abschnitt fasse ich nun in folgender „Checkliste“ zusammen
- Eine Nation ist eine Menschengruppe
- Die Menschengruppe besitzt eine gemeinsame Kultur, so dass sie effizient
kommunizieren kann
- Eine Menschengruppe mit „objektiven“ Gemeinsamkeiten, beispielsweise
- Territorium
- Abstammung
- Sprache
- kulturelle Tradition
- Geschichte
- Religion
- Die Menschengruppe definiert sich über die Abgrenzung zu anderen
Menschengruppen
- Der Wille eines jeden Individuums der Gruppe zur zukünftigen Fortführung der
Gemeinschaft, gegebenenfalls unter Aufopferung
Erfüllt das Internet genügend Punkte dieser Liste um als Nation bezeichnet zu
werden? Beginnen möchte ich mit den offensichtlich strittigen Punkten:
Ein wesentliches Merkmal bei den meisten Definitionen einer Nation ist Punkt 4, also
die Definition der Nation als Gruppe die andere Eigenschaften hat als eine zweite
Gruppe, eine Definition über Abgrenzung.
Das Internet bildet im Vergleich zu Huntingtons Zivilisation als Übernation eher eine
Transnation, denn das Internet besteht aus Menschen aller Nationen der Welt: Sie
umfasst Menschen verschiedenster „konventioneller“ Nationen die Zugang zum
Internet haben. Hier stellt sich natürlich die Frage, ob ein Individuum Mitglied zweier
Nationen gleichzeitig sein kann: Seiner „konventionellen“ Nation und der „virtuellen“
Nation Internet. In Zeiten des „Multikulturalismus“ können Menschen mehreren
Kulturen anhängen und mit der Deklaration eines Zweitwohnsitz offiziell in zwei
„Territorien“ leben. Ich meine ein Mensch kann nun einer „konventionellen“ und
einer „virtuellen“ Kultur angehören. Dabei ist mit „virtueller Kultur“ nicht
eine imaginierte Kultur gemeint, sondern die Kultur, d.h. Verhaltensweise
gegenüber anderen Menschen, im Internet. Die Netzkultur. Genauso kann
ein jeder Mensch einen „konventionelle“ wie auch „virtuellen“ Wohnsitz
haben, zumindest haben die meisten Internetnutzer eine Email-Adresse, die
zumindest dem Postboten als Anschrift des „virtuellen“ Wohnsitzes dient.
Ich stelle hier also die These auf, dass ein jeder Mensch quasi Schizophren
ist und sobald er sich in die Neue Welt des Internets begibt eine andere
Persönlichkeit annimmt, samt neuer Adresse. Dass er der Internetgemeinschaft
angehört, und sich, solange er im Internet verweilt, anderen Gebräuchen,
Tabus und Verhaltensweisen unterwirft und dann zurück schlüpft in seine
„konventionelle“ Kultur. Der Widerspruch, der die die Definitionsgrundlage einer
Nation ist, ist quasi in jedem Internetnutzer in Form dieser Schizophrenie
vorhanden.
Losgelöst von diesem Punkt stellt sich über allem die Frage, ob jeder Internetnutzer
automatisch zum Mitglied der Internetnation wird oder ob es Internetbenutzer und
Internetmitglieder gibt oder nur ersteres oder nur letzteres. Welche Menschen sind
also bei der in Punkt 1 genannten Menschengruppe gemeint. Ist es so wie in den
USA, dass jeder in ihrem Territorium geborener Mensch Amerikaner ist, also alle
Internetnutzer allein durch die Nutzung der virtuellen Welt der Internetnation
angehören? Oder muss ein Internetmitglied sich willentlich zu seiner Mitgliedschaft
bekennen (z.B. so wie Renan es verstand), z.B. dadurch, dass er seine Zelte
in Form einer eigenen Webseite, Blogs oder gar nur Email-Account in der
virtuellen Landschaft aufschlägt, also wirkliche Spuren in der neuen Welt
hinterlässt?
Zumindest kann man das Siedlungsgebiet der Internetgemeinschaft als Gemeinsamkeit
und wohl abgegrenzt zu dem jeder anderen Nation anführen, denn es handelt sich um
den virtuellen Raum, der durch Datenleitungen und Serverfarmen seine Physis
besitzt, aber eigentlich nur eine Imagination im Geiste der Nutzer und Mitglieder ist.
Dessen Imagination aufgrund der Reproduzierbarkeit der Wanderwege durch diesen
Raum durch Hyperlinks zur Realität wird. Wie angemerkt fehlt wohl möglich dem
Internet, als eine erste Version einer Weltgemeinschaft, zum vollen Nationenstatus
die Definitionsmöglichkeit über Abgrenzung. Dagegen ist der 3. Punkt der
Checkliste ein „Selbstläufer“. Territorium ist abgehakt, Internetkultur unter den
Schriftzügen „Netzkultur“ und „Cyberculture“ und Internetgeschichte sind
aktueller Forschungsgegenstand und daher existent. Die Sprache ist auch bei
„konventionellen“ Nationen kein notwendiges Kriterium (siehe z.B. Schweiz
oder Kanada, China und Indien). Aber die Amtssprache des Internets ist de
facto Englisch und die Programmier- und Skriptsprachen, die sogar neue
Syntax-Elemente wie Klammern und Begin- und End-Blöcke hervorbrachten werden
von einem Großteil der Internetmitglieder „gesprochen“ und bilden zusammen mit
dem „Netzjargon“ (wie der lächerlichen Abkürzung LOL) einen Teil der
Netzkultur.
Jerry Everard stellt in seinem Buch „Virtual States: The Internet and the Boundaries
of the Nation State“ die globale Telekommunikation als einen Schritt in der
Tradition des menschlichen Netzwerkens dar. Ein Quantensprung in der
Kommunikationsmöglichkeit. Außerdem vergleicht er das physische Rückrat und die
von Menschen darauf installierte Software, die zusammen die leere Hülle des Internets
konstituieren mit dem Staatskörper, der als Hüllkörper einer Nation aufgefasst
werden kann. Somit ist das Internet nicht nur eine Nation, sondern gar ein
Nationalstaat.
Aktuellen Diskussionen bezüglich Zensur im Internet, modernen Lizenzsystemen für
kopierbare Medien und der Unmengen an eingebrachter Freizeit in die Erstellung von
freiem Inhalt, freier Software und Befreiung von Informationen weisen darauf hin,
dass die Internetbewohner sehr wohl opferwillig (so wie es Renan vermutlich
verstand) und willens sind ihre Zukunft in der Internetgemeinschaft voranzutreiben.
Somit ist Punkt 5 auch abgehakt.
Die virtuelle Nation Internet als Verbindung zwischen allen Menschen aller
Zivilisationen ist offensichtlich ein Kulturmerkmal aller dieser Menschen und
ermöglicht grenzenlose, effiziente Kommunikation (Punkt 2). Es haben sich gewisse
Bräuche bei der Kommunikation im Internet herausgebildet (Emoticons, Betreffzeile
im Email-Verkehr, überhaupt sind die üblichen Diskussionsforen stark strukturiert
nach Inhalten und Form) Man darf daher mit Recht anmerken, dass somit den
sonstigen Kulturunterschieden zwischen Individuen verschiedener Zivilisationen eine
Gemeinsamkeit hinzugefügt wird, die weit über das nackte „Mensch-Sein“
hinausgeht. Somit lässt sich die Entwicklung der virtuellen Nation Internet
als starker Zweifel an Huntingtons fatalistischen Clash der Zivilisationen
anführen.
So wie kein englischer, französischer und spanischer König im 15. Jahrhundert
vorhersehen konnte, dass seine Kolonien in der neuen Welt, d.h. einzelne Mitglieder
ihrer Völker, eine neue Nationen bilden würden (allen voran die USA), so kann man
auch die zukünftige weltpolitische Einordnung des Internets nicht vorhersagen. Einige
oben gestellte Fragen und Probleme bleiben unbeantwortet, doch erfüllt das Internet
„erschreckend“ viele Eigenschaften einer Nation, um den Begriff „virtuelle Natioin“
zu rechtfertigen.
Was soll das?
Welchen Nutzen kann man daraus ziehen, dass man das Internet als Nation
bezeichnet?
Viele Menschen verbringen einen Großteil ihres Lebens im Internet. Sie entwickeln
dort neue Ideen, Geschichte passiert in dieser „virtuellen Welt“. Es werden Waren in
dieser Welt transportiert und gehandelt. Dieses virtuelle Land hat eine eigene
Ökonomie und ihre Bewohner eine eigene Kultur. In einem Territorium, dass in einer
anderen Ebene, als die Territorien der „konventionellen“ Nationen liegt. Noch gibt es
keine kodifizierten Regeln der Internetgemeinschaft, aber teilweise werden Gesetze
von einigen „konventionellen“ Staaten in dieser „virtuellen“ neuen Welt angewendet.
Aber die verschiedenen Rechtsnormen der „konventionellen“ Staaten, denen die
einzelnen Individuen der Internetgemeinschaft auch angehören, führen zu
Widersprüchen. Die Auffassung des Internets als Nation könnte den Gedanken an
eine Internetregierung, die Gesetze in dem virtuellen Raum erlässt, weniger lächerlich
erscheinen lassen.
Aus einem anderen Blickwinkel kann man aber auch konstatieren, dass wenn man das
Internet als Nation bezeichnen kann, dieser Begriff eine derartige Unschärfe und
subjektive Definitionshoheit innehat, dass er aus dem wissenschaftlichen Diskurs
verbannt werden sollte.
Durch die verbindende Wirkung des Internets sehe ich Huntingtons
Prophezeiung als sehr unwahrscheinlich an und prophezeie selber, dass das
Internet der Prototyp einer Weltnation wird, wenn dem nicht schon so ist.
Literatur