Montag, 26. September 2011

Gravitative Zeitdilatation

So, weiter gehts mit den Neutrinos :-)
Im Erdgravitationsfeld kann folgende Gleichung verwendet werden:
T=T0(1+gh/c²)
Dabei ist T0 die Zeit, die bei h=0 und g die Erdbeschleunigung. Der Höhenunterschied zwischen Gran Sasso und CERN ist maximal 1000 m. Daraus folgt ein Laufzeitunterschied zwischen beiden Uhren aufgrund von unterschiedlich viel Masse "unter ihnen" von ca.
ΔT=gh/c²=T0*1*10⁴/(9*10¹⁶)  < T0*10⁻¹².
Offensichtlich ist dieser Effekt viel viel zu klein um die 60 ns Zeitunterschied bei einer Gesamtflugzeit von T0=2 ms zu erklären.

Betrachten wir noch zwei klassische Effekte:
Zentrifugalkraft:
FZ=m ω² r
Wobei ω die Rotationsgeschwindigkeit der Erde und r der senkrechte Abstand von der Rotationsachse. Da Gran Sasso näher am Äquator liegt als CERN ist dort auch der senkrechte Abstand zur Erdachse größer und damit die Zentrifugalkraft auf die Neutrinos. Da es hier um das Abschätzen von Effekten geht, nehmen wir die maximale Zentrifugalkraft an und lassen sie die ganzen 2 ms auf die Neutrinos wirken. Die maximale Beschleunigung ist in Gran Sasso aufgrund von Zentrifugalkräften
a(max)=ω² r(max) = ω² R cos(θGran Sasso)=7 * 10⁻³ m/s²
Nun lassen wir diese Beschleunigung a 2 ms auf die Neutrinos wirken. Dies führt zu einer Geschwindigkeitserhöhung von v=a*t=7 * 10⁻³ m/s² * 2 ms=14* 10⁻6 m/s.
Was in einer Distanz von 28* 10⁻⁹ m resultiert. Nicht berücksichtigen der Zentrifugalkraft würde also in der Größenordnung von nm liegen und kann auf keinen Fall 18 m erklären.

Corioliskraft
Die Corioliskraft hängt von der Geschwindigkeit der Teilchen ab und von der Äquatornähe (der obige Winkel theta ist nun durch 90°- phi gegeben).  Hier sind die Formeln für die Corioliskraft für östlich fliegende Teilchen (zeigt in N-S-Richtung) und für nördlich fliegende Teilchen (also "minus südlich fliegend") und wirkt in W-O-Richtung.
  F_\mathrm{C, N} = - 2 \cdot m \cdot \omega \cdot v_\mathrm{O}\cdot \sin \varphi

 F_\mathrm{C, O} = 2 \cdot m \cdot \omega \cdot v_\mathrm{N}\cdot \sin \varphi
Genauso wie oben wirken die größten Corioliskräfte in Gran Sasso. Die Neutrinos haben Geschwindigkeiten in der Größenordnung von c. Die jeweiligen Komponenten in W-O-RIchtung bzw. N-S-Richtung sind natürlich kleiner. Aber wir wollen sehr konservativ rechnen und nehmen dafür bei beiden Komponenten c.
Dies führt zu folgenden Coriolisbeschleunigungen:
a = 2*c*ω*cos(θ) = 9100 m/s²
Wie oben rechnen wir diese Beschleunigung auf eine Strecke um:
L=9100 m/s² * 2 ms * 2 ms =0,04 m
Die Corioliskraft würde also sqrt(0,04²m²+0,04²m²) = 0,06 m von 18 m erklären.

Also: Keine klassischen Effekte aufgrund dessen, dass das Experiment nicht in einem IS stattfindet, können die 18 m bzw. 60 ns die die Neutrinos "abgekürzt" haben bzw. "zu schnell" waren, erklären.
Weder gravitative noch speziell relativistische Zeitdilatation liegen in der Größenordnung dass sie auch nur ansatzweise einen Einfluss haben können.
Im ersten Artikel zu den Neutrinos hatte ich auch schon die Raumverzerrung (Stichwort Gravitationslinseneffekt) berechnet und gezeigt, dass dieser Effekt zuerst eine Streckenverlängerung verursacht und auch nicht in der gesuchten Größenordnung liegt.

Der letzte noch zu untersuchende Effekt, der noch in zahlreichen Blogs "diskutiert" wurde, ist der Lense-Thirring-Effekt (Gravitomagnetischer Effekt, der z.B. dafür verantwortlich ist, dass die Bahnebene des Mondes aufgrund der Eigenrotation der Erde sich verschiebt).
Ich denke, dass dieser Effekt einen noch geringeren Einfluss hat als die bislang diskutierten.
Aufgrund der fortgeschrittenen Stunde werde ich diesen Effekt morgen unter die Lupe nehmen.
Tschö :-)

Keine Kommentare: