Sonntag, 11. August 2013

Fouriertransformation in der Praxis

Als Physiker ist die Fouriertransformation „Bildungsstandard“ und ein Kinderspiel. Zumindest solange, bis man selber in der Praxis eine diskrete Fouriertransformation im Programmcode verwenden möchte.
In der Uni wird ständig mit der Fouriertransformation hantiert, aber zumeist nur in „formaler“ Weise, d.h. man löst z.B. die Wellengleichung im k-Raum oder stellt die Dirac-Funktion als Fouriertransformierte dar. Im 2. oder 3. Semester macht man auch die Spielchen, dass man eine Gaußfunktion per Hand transformiert und wieder eine Gaußfunktion herauskommt.
In der Praxis hat man ein Signal diskretisiert, wobei der Zeitabstand zwischen zwei Samplepunkten einer sinnvollen physikalischen Einheit entspricht. Nun möchte man „einfach mal kurz“ das Zeitsignal in seine Frequenzen zerlegen. Und genau hier wird der durchschnittliche Physiker durch die Implementation der FFT zur Weißglut getrieben. „Wie zur Hölle muss ich denn nun meine Frequenzachse konstruieren um physikalisch sinnvolle Frequenzen zu erhalten????“

Der Fallstrick ist eigentlich nicht die Implementation (z.B. in Python oder Matlab) selbst, sondern dass man glaubt alles - wirklich alles - über die Fouriertransformation zu wissen und daher liest man die zugehörige FFT-Dokumentation nicht richtig.

Im folgenden möchte ich diese Fallstricke anhand der Implementation der FFT im numpy-Paket in Python erläutern.


Das wichtigste:
  1. Die FFT spuckt ihr Ergebnis in einer „unintuitiven“ Ordnung aus („Standard Packing“)
  2. Die Normierung ist unsymmetrisch
  3. Im Exponenten ist ein Faktor 2pi versteckt

Zuerst erstellen wir ein Zeitsignal mit einer physikalisch sinnvollen Zeitachse. Die obige Grafik wird mit folgendem Code erstellt

import matplotlib.pyplot as plt
import numpy as np
from math import *
N = 200
deltaT = 0.01 #ms
timeseries = np.zeros(N)
tAxis = np.linspace(0,deltaT*N,N)
damping = 15.0
frequency1 = 10.0 # 10 kHz
frequency2 = 30.0 # 30 kHz
fNyquist =0.5/deltaT
for i in range(N):
 t = tAxis[i]
 timeseries[i] = exp(-t*t*damping/4.0)*(1.0-exp(-t*t*damping))*sin(2.0*pi*frequency1*t)+0.05*cos(2.0*pi*frequency2*t)

plt.xkcd() #rausnehmen, falls matplotlib version <1.3.0
plt.plot(tAxis,timeseries,label = "damped sine")
plt.xlabel("t in ms")
plt.ylabel("Amplitude")
plt.legend()
plt.savefig("damped_sine.png")
Wir haben also einen gedämpften Sinus als Zeitserie, mit der Mittenfrequenz 10 kHz, dargestellt mit 200 Samplepunkten, die jeweils 10 Mikrosekunden auseinander liegen. Die Samplefrequenz ist also 100 kHz Außerdem ist diese Schwingung mit einem Cosinus kleiner Amplitude mit der Frequenz 30 kHz überlagert. Somit liegt die Nyquist-Frequenz bei 50 kHz. Wenn man nun ganz frisch ans Werk geht und einfach die FFT berechnet, erhält man folgendes

Der Code zur Erzeugung dieser Grafik ist dieser:

FFTtimeseries = np.fft.fft(timeseries)
fMax = 1.0/deltaT
fAxis = np.linspace(0,fMax,N)
plt.clf()
plt.plot(fAxis,np.abs(FFTtimeseries),'-b',label="FFT")
plt.hold(True)
plt.plot(frequency1, max(np.abs(FFTtimeseries)),'ro',label="my guess!" )
plt.plot(frequency2, max(np.abs(FFTtimeseries)),'r+',label="my guess!" )
plt.plot(fNyquist, max(np.abs(FFTtimeseries)),'go',label="Nyquist frequency" )
plt.xlabel("f in kHz")
plt.ylabel("FFT")
plt.xlim([min(fAxis),max(fAxis)])
plt.savefig("wrong_axis.png")

Nun schaut man sich das an und krazt sich am Kopf: Was „zur Hölle“ sind das für 2 Peaks hinter der Nyquist-Frequenz? Ok, ich ignoriere die einfach, weil sie ja höher als die Nyquistfrequenz sind. Das ist falsch. Der Grund für die beiden hinteren Peaks ist die FFT-Implementation. Stichwort „Standard Packing“. Die Funktion np.fft.fft gibt ein Array der Länge N wieder (hier also 200 Elemente). Das 0. Element entspricht der Frequenz Null, die Elemente 1, 2, ..., N/2-1 entsprechen den DFT-Koeffizienten zur Frequenz deltaF, 2*deltaF, ..., (N/2-1)*deltaF. Wobei deltaF=1/(N*deltaT) ist. Also durch diejenige harmonische Schwingung definiert ist, die genau einmal in das vorgegebene Zeitfenster N*deltaT (hier 2 ms) passt. Die Elemente N/2,...,N-1 entsprechen dagegen den negativen Frequenzkomponenten -deltaF*(N-1), -deltaF*(N-2),... -deltaF. Um ein „erwartetes Ergebnis“ zu erhalten, muss man das Ergebnis der FFT umsortieren. Dazu ist schon die Funktion fft.fftshift implementiert.

Der Code:

FFTtimeseries = np.fft.fftshift(np.fft.fft(timeseries))
fMax = 1.0/deltaT
deltaF =1.0/(deltaT*N)
truefAxis = np.linspace(-fMax/2,fMax/2,N)
plt.clf()
plt.plot(truefAxis,np.abs(FFTtimeseries),'-b',label="FFT")
plt.hold(True)
plt.plot(frequency1, max(np.abs(FFTtimeseries)),'ro',label="my guess!" )
plt.plot(frequency2, max(np.abs(FFTtimeseries)),'r+',label="my guess!" )
plt.plot(fNyquist,max(np.abs(FFTtimeseries)) ,'go',label="Nyquist frequency" )
plt.xlabel("f in kHz")
plt.ylabel("FFT")
plt.xlim([min(truefAxis),max(truefAxis)])
plt.savefig("right_axis.png")  

Das Ergebnis:

Damit wäre der obige 1. Punkt der Liste der Fallstricke behoben.

Nochmal kurz die Rücktransformation austesten:

plt.clf()
plt.plot(tAxis,np.fft.ifft(np.fft.fft(timeseries)).real,'-r',label="back transformed")
plt.xlabel("t in ms")
plt.ylabel("Amplitude")
#plt.legend()
plt.savefig("back_transformed.png")

Das Ergebnis
...Schön. Kommt genau das Eingangssignal wieder heraus. Ist ja alles super!

Der zweite Punkt der Fallstrickliste soll anhand des Faltungstheorems diskutiert werden. Zur Erinnerung: Die Fouriertransformierte  eines Faltungsintegrals ist einfach die Multiplikation der Fouriertransformierten der beiden einzelnen Funktionen. Außerdem ist ja bekannt, das die Faltung der Rechtecksfunktion mit sich selbst (Autokorrekation) die Zeltfunktion/Dreiecksfunktion gibt. Also versuchen wir uns mal daran:
def rect(x, L):
 if np.abs(x) < L:
  return 1.0
 else: 
  return 0.0
tAxis = np.linspace(-5,5,N) 
rectW = np.zeros(N)
for i in range(N):
 rectW[i] = rect(tAxis[i],1.0)

deltaT =abs(tAxis[1]-tAxis[0])
plt.clf()
plt.plot(tAxis,rectW,'-b',label="rect window")
plt.xlabel("t in ms")
plt.ylabel("Amplitude")
plt.legend()
plt.ylim([0,1.25])
plt.savefig("rect.png")

iAmClever = np.fft.ifft(np.fft.fft(rectW)*np.fft.fft(rectW))

plt.clf()
plt.plot(tAxis,iAmClever,'-b',label="first try" )
plt.xlabel("t in ms")
plt.ylabel("Amplitude")
plt.legend()
plt.savefig("first_fft_conv.png")

Im obigen Code habe ich eine Funktion „rect“ definiert die uns ein Rechtecksfenster erzeugt und danach haben wir das Faltungstheorem angewendet. Die Ergebnisse sind...

 ...das Rechtecksfenster ist also 2 ms breit. Faltet man diese Rechteckfunktion mit sich selbst, so erwartet man von -unendlich bis -2 ms Null, da die beiden Rechteckfunktionen noch nicht überlappen. Von -2 ms bis 0 ms erwartet man einen linearen Anstieg, da der Überlapp linear anwächst. Bei 0 ms liegen beide Rechtecke übereinander und das Integral sollte 2 ms * 1 = 2 ms ergeben. Danach erwartet man einen linearen Abfall bis 2 ms und dann sollte die Faltung Null ergeben. Nun bekommen wir aber folgendes Ergebnis:


Einmal wurde wieder die fftshift-Funktion vergessen, aber zudem wurde die Unsymmetrie der implementierten Normierung ignoriert. Nur bei der Rücktransformation der FFT ist ein Normierungsfaktor berücksichtigt, so dass ifft(fft(A))=A ergibt. Nun wurde aber im Frequenzbereich multipliziert, so dass dort einmal zusätzlich der Normierungsfaktor berücksichtigt werden muss. Richtig geht es so

FFTConvTimeseries = np.fft.ifftshift(np.fft.ifft(np.fft.fft(rectW)*np.fft.fft(rectW))).real*deltaT
plt.clf()
plt.plot(tAxis,FFTConvTimeseries,'-r',label="right axis and normalization" )
plt.xlabel("t in ms")
plt.ylabel("Amplitude")
plt.ylim([0,1.5])
plt.legend()
plt.savefig("fft_conv.png")

und man erhält das erwartete Ergebnis

Abschließend: Sagt niemals zu eurem Chef: Jo, FFT, bin in einer Viertelstunde fertig. Das geht schief! Immer. FFT ist um Welten komplizierter und verwirrender als die Fouriertransformation mit Stift und Papier. Die Diskretisierung und die verwirrende Implementation birgt viele viele Fallstricke!

Dienstag, 9. April 2013

MoneyTube

MoneyTube
YouTube ist die relevanteste Videoplattform weltweit, Erfinderin der „viral Videos“. Von Musik über Dokumentationen, zu Comedy, Meinungen, Skandalen, historischen Videodokumenten, Urheberrechtsverletzungen, Kriegspropaganda, Footage und Unfug gibt es alles. Zumindest Anfangs wurde all das von Amateuren hochgeladen und oft auch produziert.
Seit einiger Zeit macht YouTube eine gewisse Evolution durch. Anfangs war das Portal völlig werbefrei (2005), 2007 wurde auf ausgewählten Kanälen (Partner-Channels) Werbung geschaltet. Heute regt sich wohl auch niemand mehr ernsthaft über die Werbung auf. Neben dieser vordergründigen Kommerzialisierung des Portals, die offensichtlich notwendig ist, denn der Betrieb der Server um die schätzungsweise 140 Mio Videos = 1 PetaByte (2012) zu speichern und bereitzustellen wird wohl einiges kosten, läuft eine hintergründige Professionalisierung der YouTube-Kanäle ab.

Die Professionalisierung zeigt sich u.A. darin, dass sich YouTube-Stars entwickelt haben die wöchentliche Shows moderieren, in gestochen scharfem HD mit ausgefeilten Schnitten, Überblenden und in Fernsehsprech (z.B. „Matz ab“). Dass die bekannten Stars alle von großen (millioneneuroschweren) Netzwerken produziert und vermarktet werden ist wohl bekannt. Zum Beispiel stehen Y-Titty und Apecrime bei Mediakraft unter Vertrag und Ray William Johnson (RWJ) war bei Maker Studios unter Vertrag. Hier macht sich übrigens die erste Ernüchterung der Professionalisierung breit: Die massive „Cross-Promotion“, d.h. dass bekannte YouTuber in anderen „befreundeten“ Kanälen auftreten ist keinesfalls aus Eigeninitiative dieser (ehemaligen) Ameteuren  entstanden, sondern eines der Marketingwerkzeuge dieser Youtube-Netzwerke. Neben dieser Ernüchterung beim Zuschauer führt der massive Fluss von Geld durch das YouTube-Werbesystem zu handfesten Streitigkeiten, die z.B. zum Bruch zwischen RWJ und Maker Studios führte.

Neben dieser von Außen geführten Professionalisierung von YouTube wurden Ende 2012 in Deutschland von YouTube selbst so genannte “original channels” eingeführt. Hierbei handelt es sich um Kanäle auf YouTube die in Zusammenarbeit mit bestehenden Produktionsfirmen betrieben werden: YouTube beteiligt sich an den Produktionskosten und behält dafür einen Teil der Werbeeinnahmen ein. YouTube erzeugt bzw. beteiligt sich selbst an der Produktion von Inhalten. Dies ist ein neuer Schritt in der Entwicklung von YouTube und ein Bruch mit dem alten „Nur-Plattform-Dasein“.
Was ist nun eigentlich mein Problem? Mein Hauptproblem ist, dass die Tätigkeiten dieser Netzwerke und Original Channels komplett intransparent sind. Vordergründig werden die von den Netzwerken produzierten Kanäle als Amateur-Videos (zwar in HD) präsentiert, wohlwissend, dass die Zuschauer auf YouTube Amateure sehen wollen. Wäre dem Durchschnitts-YouTube-Zuschauer klar mit welcher Professionalität (d.h. mit Skriptschreibern, Drehbuch und Maske) seine Lieblingssendungen produziert würden, wäre der Glanz sehr schnell verflogen. Denn mit den Formaten im Fernsehen können die YouTube-Formate qualitativ nicht mithalten, trotz der neuen Geldmittel ist es meistens nur Klamauk. Dieser Klamauk wird nur geschätzt, weil man annimmt, dass es Leute wie du & ich sind die diesen Klamauk in ihrer Freizeit zum eigenen Spaß produzieren (nicht um Geld zu verdienen).
Durchforstet man dieses Netzwerk-Dickicht, so kann man übrigens auch die Gäste der nächsten Woche der einzelnen Kanäle vorhersagen.
Vor ca. 1 Monat endeckte ich den Kanal OnkelBernisWelt (OBW). Laut eigener Ansage die erste  und einzige Late-Night Show auf YouTube. Das Konzept ist witzig und die Sendung qualitativ hochwertig. Nun fand ich heraus, dass OBW ein “original channel” ist, produziert von First Entertainment (Tochterfirma von Bavaria Film). Dieser Fakt erklärt nun auch die Auswahl der Gäste in der Show, z.B. „Bonnie Strange“ vom Kanal eNtR berlin (von UFA produziert, auch “original channel”) sowie Trigger.TV (auch von UFA produziert). Erwarten kann man nun als zukünftige Gäste alle anderen “original channel”-YouTuber sowie YouTuber dessen Channels auch von Bavaria oder UFA produziert werden. Völlige Ernüchterung, die YouTuber laden nicht „coole“ Leute ein,  sondern Leute die „vom Management“ einzig zur Klickoptimierung auserkoren werden. Leider ist nicht bekannt wer wo unter Vertrag steht, die Zuordnung muss also invers geschehen. D.h. wenn A bei B auftritt, dann muss man davon ausgehen, dass diese im gleichen Netzwerk.
Was lernen wir daraus? YouTube ist längst kein Amateur-Verein mehr, dort tummeln sich die großen Filmriesen, bloß dass sie in den Vorspannen ihre Logos weglassen. Das verwundert, da in herkömmlichen Fernsehproduktionen diese Logos ziemlich groß und am Anfang sowie Abspann zu finden sind.
Alle Kanäle die mehr als 5000 Abonnenten haben, sind mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mit einer dieser Netzwerke/Produktionsfirmen verwoben. In wie fern diese auch die Inhalte beeinflussen weiß niemand. Mir ist das aufjedenfall alles sehr Suspekt. Je intransparenter desto suspekter.

Samstag, 30. März 2013

Was ist Nation?

Das Internet als virtuelle Nation und Bindeglied der Zivilisationen

Orginal von Colocho, Lizenz: CC-BY-SA-2.5

In den Zeiten der Globalisierung gibt es die einen, die die Weltnation in greifbarer Nähe sehen und die anderen, die die Nationen als einzig mögliche Ordnungseinheiten sehen, die uns vor dem unvorhersehbaren Chaos einer vereinten Weltgemeinschaft schützen können. 1993 schürte Huntington mit „The Clash of Civilizations“ die Angst und erregte die Gemüter durch seine Prophezeiung, dass ideologische und ökonomische Faktoren als fundamentale Ursache von Konflikten zwischen Völkern und Nationen an Wichtigkeit verlieren werden, dagegen werden die grundlegenden Ursachen der großen weltpolitischen Konflikte kultureller Natur sein.1 Seiner Ansicht nach werden zwar Nationalstaaten die mächtigsten Akteure der Weltbühne bleiben, aber die Hauptkonflikte der Globalpolitik werden zwischen Nationengruppen und verschiedenen Zivilisationen auftreten. Der Zusammenprall der Zivilisationen wird die Weltpolitik dominieren.2 Seine Prophezeiung ist als selbsterfüllend zu bezeichnen, da Huntington Zivilisationen über ihre Bruchlinien zu anderen Zivilisationen definiert und, wie einige Autoren anmerkten,3 aufgrund der Rückwirkung seiner Thesen auf öffentliche Debatten. Bruchlinien sind offensichtlich genau die notwendigen Bedingungen für Konflikte. Andererseits stellt Huntington die Nation als ein nur vorübergehendes Ordnungselement der Weltgemeinschaft dar, das aus den früheren, kleineren dynastischen Ordnungseinheiten („Princes“) emergierte und in der höchsten Ordnungseinheit „der Zivilisation“ mündet.4
Ich beginne diesen Essay mit Huntingtons „The Clash of Civilizations“ weil er ein prominentes Beispiel eines populärwissenschaftlichen Aufsatzes ist, der nicht scharf umgrenzte Begriffe wie „Zivilisation“ und „Nation“ benutzt und aus diesen dann versucht alternativlose Zukunftsszenarien zu entwickeln. Welche Vorhersagekraft können solche Szenarien überhaupt haben, wenn die zugrundeliegenden Begriffe sich der Objektivität größtenteils entziehen?
Da Huntington zur Definition der Zivilisation die gleichen Merkmale angibt wie auch ab dem 18. Jahrhundert versucht wurde den Begriff der Nation zu erfassen, als Menschengruppe mit gemeinsamer Kultur, so kann man sich die Frage stellen, wo überhaupt der qualitative Unterschied zwischen den zukünftigen „clashs of civilizations“ und den historischen „clash of nations“ liegen mag. Es lässt sich einzig ein quantitativer Unterschied zwischen Nation und Zivilisation ausmachen. Die Zivilisation steht in der Hierarchie der kulturellen Heterogenität eine Ebene höher als die Nation. Aber aus diesem quantitativen Unterschied konstruiert Huntington qualitative Verschiebungen in der Weltpolitik 56. Zwar unterschlägt er die massive Verkürzung der realen Distanzen durch die Globalisierung zwischen Menschen der Welt nicht,7 die zu einer „erhöhten Anzahl von Interaktionen“ zwischen Menschen unterschiedlicher Zivilisationen führt, aber er schließt daraus fatalistisch und ohne andere Möglichkeiten abzuwägen, dass es daher zu erhöhtem Konfliktpotenzial kommen muss.8 Ganz klar war das Internet 1993 noch nicht so omnipräsent und immer verfügbar wie heute, aber die Tendenz der Entstehung eines globalen, frei verfügbaren, Kommunikations- und Informationsnetzwerkes waren auch damals schon ersichtlich.9 Warum sollte dieser Quantensprung in der internationalen Kommunikation nun nicht genau das Gegenteil bewirken, den „agree of civilizations“
K.W. Deutsch entwickelte in seiner Dissertation 1953 das seitdem viel beachtete Konzept des Volkes als „Personengruppe mit komplementären Kommunikationsgewohnheiten“ und der Nation als ein „Volk, das Kontrolle über eigene Institutionen gesellschaftlichen Zwanges gewonnen hat, was eventuell zu einem voll ausgebildeten Nationalstaat führen kann.“ D.h. eine Gemeinschaft ist nicht einfach deshalb eine Gemeinschaft, weil es Gemeinsamkeiten wie Nachbarschaft, Sprache, Kultur, Geschichte oder Tradition besitzt, sondern weil es daher effektiver Kommunizieren kann. Mit diesem Blick wird klar, dass das Internet als das bislang effektivste Kommunikationsmittel der Menschheit, die momentane Weltordnung der Nationalstaaten gewaltig verändern wird und zwar nicht einfach hin zu Übernationalstaaten in Form von Zivilisationen wie Huntington prophezeit.
Denn aufgrund des globalen, dezentralisierten, zeitlosen, günstigen, einfachen, digitalen, individuellen, immateriellen, sicheren, geheimen und anonymen Charakters des Internets10 sowie dem erhöhten Bildungszugang aller Menschen und damit der massiven Verbreitung von Englisch als Lingua Franca, wird die Kommunikation auch zwischen Menschen, die nicht Mitglieder gleicher Nation oder gar Zivilisation sind, effektiver. Und gerade das ist laut Deutsch ein Baustein hin zu einer gemeinsamen Nation. Daher spreche ich beim Internet von einer „virtuellen Nation“.
Im Folgenden soll kurz die Definitionsgeschichte des Begriffes „Nation“ umrissen werden, um dann zu erörtern in wie fern man das Internet als Nation bzw. virtuelle Nation bezeichnen kann.

Definitionsgeschichte des Begriffes „Nation“


Beginnen möchte ich mit einem Zitat bezüglich der Eingrenzung von „Nation“ des britischen Ökonom und Verfassungstheoretiker W. Bagehot (1826- 1877):
„Wir wissen, was es ist, solange uns niemand danach fragt, aber wir können es nicht sofort erklären oder definieren.“11
Es wird sich herausstellen, dass knapp 150 Jahre später dies eigentlich die einzige Konstante der Definitionsversuche von „Nation“ ist.
Ansonsten kann man konstatieren, dass der Nationbegriff irgendwo zwischen Volk, Land und Staat angesiedelt ist. „Eine genaue Begriffsbestimmung ist regelmäßig mit der Schwierigkeit konfrontiert, die Nation zum Volk einerseits und vom Staat andererseits klar abzugrenzen.“12
Angefangen bei J. G. Fichte (1762 - 1814), der jedem Volk einen Nationalcharakter zuordnete, also gewisse Eigenschaften bestimmten Nationen zuordnete, entbehren die meisten Definitionen jeglicher messbaren Observablen. So versuchte Otto Bauer (1881-1938) den Grundgedanken des Nationalcharakters so zu präzisieren, dass er mit der offensichtlichen Beobachtung, dass der Nationalcharakter nur einer unter vielen, wenn überhaupt, marginaler Charakterzug eines Individuums ist, in Einklang steht. Bei der Suche nach einer objektiven Observablen in den gemeinsamen Eigenschaften eines Volkes versuchte er diese im „gemeinsamen Schicksal“ zu finden, welches als immer währende Kraft auf die Mitglieder eines Volkes einwirkt und sie zu einer Nation „zusammendrückt“ in eine „Charaktergemeinschaft“.13
Im Endeffekt blieben alle Definitionsversuche in dem Ansatz stecken möglichst objektive Abgrenzungsmerkmale zwischen Menschengruppen zu finden. In der Hochphase der Nationbildung im 18. und 19. Jahrhundert wurden so schließlich alle in Frage kommenden Merkmale, anhand derer sich Gruppen unterscheiden lassen, durchkonjugiert. Immerhin konnte Meinecke (1862-1954) zu einer Klassifizierung dieser vielen Nationsdefinitionen nach Staatsnation und Kulturnation einführen. Ernest Renan (1823 - 1892) widersprach als einer der wenigen der Notwendigkeit der Gemeinsamkeit von Rasse (heute hätte er wohl das Wort Ethnie verwendet), Sprache, Religion, Territorium und legte den Schwerpunkt auf die gemeinsam ertragene Geschichte und dem Willen zur gemeinsamen Zukunft als Nation und hebt damit in ersten Ansätzen die Gemeinsamkeiten der Nation in explizit nicht messbare Eigenschaften bzw. auf die Subjektive Ebene. Die Nation ist bei ihm eine reine Imagination - eine kollektive gleiche Willensentscheidung.
Neben den schon erwähnten Beiträgen Deutschs der eine Nation als Gruppe mit Kommunikationsvorteilen sieht, muss aber auch noch die Definition der Nation als „eine vorgestellte politische Gemeinschaft — vorgestellt als begrenzt und souverän.“ von B. Anderson erwähnt werden („imagined Community“). Demnach existiert die Nation hier explizit nur in den Köpfen, da ihre Mitglieder sich aufgrund der Vielzahl nicht alle kennen können und trotzdem die Vorstellung einer Gemeinschaft haben (Wohingegen Renan dieser Gedanke wohl nur implizit unterstellt werden kann). Außerdem kann so der Definitionsansatz umgekehrt werden: Es ist nicht zuerst die Gemeinschaft da, die sich dann zu einer Nation aufschwingt, sondern der (wie auch immer zustanden gekommene) Korpus der Nation formt aus seiner Menschenbefüllung erst die Gemeinschaft bzw. stellt die Grundlage der vermeintlichen Gemeinsamkeiten der Menschengruppe.14
Schon Schopenhauer (1788-1860) hatte wohl diesen Gedanken, dass erst die Nation selbst gemeinschaftstiftend ist und nicht andersherum, als er etwas deprimiert niederschrieb: „Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein. Hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen.“
Zusammenfassend besteht die Definition der Nation aus objektiven und subjektiven Elementen. Eine Menschengruppe, mit gewissen gemeinsamen Eigenschaften wie räumliche Geschlossenheit des Siedlungsgebietes, gemeinsame Abstammung, Sprache, kulturelle Tradition, Geschichte, besondere psychische Wesensart und Gemeinschaftsbewusstsein die sich von anderen derartigen menschlichen Gemeinschaften unterscheiden. Wobei aber keine der angeführten Charakteristiken notwendig oder hinreichend wären. Welche Eigenschaften wichtig sind, sind rein subjektiv bestimmt, gar ist die Gemeinschaft nur eine Vorstellung und ihre Präferenz gegenüber Anderen rührt aus der effektiveren Kommunikation im Inneren der Gemeinschaft als mit Außenstehenden her. Zusätzlich soll eine solche Gemeinschaft den Willen besitzen eine dauerhafte und selbstständige Existenz zu führen, über deren Form sie selbst entscheidet und sich in der Bereitschaft der Angehörigen dieser Gemeinschaft ausdrückt, Opfer für sie zu erbringen.

Internet als virtuelle Nation


Den vorherigen Abschnitt fasse ich nun in folgender „Checkliste“ zusammen
  1. Eine Nation ist eine Menschengruppe
  2. Die Menschengruppe besitzt eine gemeinsame Kultur, so dass sie effizient kommunizieren kann
  3. Eine Menschengruppe mit „objektiven“ Gemeinsamkeiten, beispielsweise
    1. Territorium
    2. Abstammung
    3. Sprache
    4. kulturelle Tradition
    5. Geschichte
    6. Religion
  4. Die Menschengruppe definiert sich über die Abgrenzung zu anderen Menschengruppen
  5. Der Wille eines jeden Individuums der Gruppe zur zukünftigen Fortführung der Gemeinschaft, gegebenenfalls unter Aufopferung

Erfüllt das Internet genügend Punkte dieser Liste um als Nation bezeichnet zu werden? Beginnen möchte ich mit den offensichtlich strittigen Punkten:
Ein wesentliches Merkmal bei den meisten Definitionen einer Nation ist Punkt 4, also die Definition der Nation als Gruppe die andere Eigenschaften hat als eine zweite Gruppe, eine Definition über Abgrenzung.
Das Internet bildet im Vergleich zu Huntingtons Zivilisation als Übernation eher eine Transnation, denn das Internet besteht aus Menschen aller Nationen der Welt: Sie umfasst Menschen verschiedenster „konventioneller“ Nationen die Zugang zum Internet haben. Hier stellt sich natürlich die Frage, ob ein Individuum Mitglied zweier Nationen gleichzeitig sein kann: Seiner „konventionellen“ Nation und der „virtuellen“ Nation Internet. In Zeiten des „Multikulturalismus“ können Menschen mehreren Kulturen anhängen und mit der Deklaration eines Zweitwohnsitz offiziell in zwei „Territorien“ leben. Ich meine ein Mensch kann nun einer „konventionellen“ und einer „virtuellen“ Kultur angehören. Dabei ist mit „virtueller Kultur“ nicht eine imaginierte Kultur gemeint, sondern die Kultur, d.h. Verhaltensweise gegenüber anderen Menschen, im Internet. Die Netzkultur. Genauso kann ein jeder Mensch einen „konventionelle“ wie auch „virtuellen“ Wohnsitz haben, zumindest haben die meisten Internetnutzer eine Email-Adresse, die zumindest dem Postboten als Anschrift des „virtuellen“ Wohnsitzes dient. Ich stelle hier also die These auf, dass ein jeder Mensch quasi Schizophren ist und sobald er sich in die Neue Welt des Internets begibt eine andere Persönlichkeit annimmt, samt neuer Adresse. Dass er der Internetgemeinschaft angehört, und sich, solange er im Internet verweilt, anderen Gebräuchen, Tabus und Verhaltensweisen unterwirft und dann zurück schlüpft in seine „konventionelle“ Kultur. Der Widerspruch, der die die Definitionsgrundlage einer Nation ist, ist quasi in jedem Internetnutzer in Form dieser Schizophrenie vorhanden.
Losgelöst von diesem Punkt stellt sich über allem die Frage, ob jeder Internetnutzer automatisch zum Mitglied der Internetnation wird oder ob es Internetbenutzer und Internetmitglieder gibt oder nur ersteres oder nur letzteres. Welche Menschen sind also bei der in Punkt 1 genannten Menschengruppe gemeint. Ist es so wie in den USA, dass jeder in ihrem Territorium geborener Mensch Amerikaner ist, also alle Internetnutzer allein durch die Nutzung der virtuellen Welt der Internetnation angehören? Oder muss ein Internetmitglied sich willentlich zu seiner Mitgliedschaft bekennen (z.B. so wie Renan es verstand), z.B. dadurch, dass er seine Zelte in Form einer eigenen Webseite, Blogs oder gar nur Email-Account in der virtuellen Landschaft aufschlägt, also wirkliche Spuren in der neuen Welt hinterlässt?
Zumindest kann man das Siedlungsgebiet der Internetgemeinschaft als Gemeinsamkeit und wohl abgegrenzt zu dem jeder anderen Nation anführen, denn es handelt sich um den virtuellen Raum, der durch Datenleitungen und Serverfarmen seine Physis besitzt, aber eigentlich nur eine Imagination im Geiste der Nutzer und Mitglieder ist. Dessen Imagination aufgrund der Reproduzierbarkeit der Wanderwege durch diesen Raum durch Hyperlinks zur Realität wird. Wie angemerkt fehlt wohl möglich dem Internet, als eine erste Version einer Weltgemeinschaft, zum vollen Nationenstatus die Definitionsmöglichkeit über Abgrenzung. Dagegen ist der 3. Punkt der Checkliste ein „Selbstläufer“. Territorium ist abgehakt, Internetkultur unter den Schriftzügen „Netzkultur“ und „Cyberculture“ und Internetgeschichte sind aktueller Forschungsgegenstand und daher existent. Die Sprache ist auch bei „konventionellen“ Nationen kein notwendiges Kriterium (siehe z.B. Schweiz oder Kanada, China und Indien). Aber die Amtssprache des Internets ist de facto Englisch und die Programmier- und Skriptsprachen, die sogar neue Syntax-Elemente wie Klammern und Begin- und End-Blöcke hervorbrachten werden von einem Großteil der Internetmitglieder „gesprochen“ und bilden zusammen mit dem „Netzjargon“ (wie der lächerlichen Abkürzung LOL) einen Teil der Netzkultur.
Jerry Everard stellt in seinem Buch „Virtual States: The Internet and the Boundaries of the Nation State“ die globale Telekommunikation als einen Schritt in der Tradition des menschlichen Netzwerkens dar. Ein Quantensprung in der Kommunikationsmöglichkeit. Außerdem vergleicht er das physische Rückrat und die von Menschen darauf installierte Software, die zusammen die leere Hülle des Internets konstituieren mit dem Staatskörper, der als Hüllkörper einer Nation aufgefasst werden kann. Somit ist das Internet nicht nur eine Nation, sondern gar ein Nationalstaat.
Aktuellen Diskussionen bezüglich Zensur im Internet, modernen Lizenzsystemen für kopierbare Medien und der Unmengen an eingebrachter Freizeit in die Erstellung von freiem Inhalt, freier Software und Befreiung von Informationen weisen darauf hin, dass die Internetbewohner sehr wohl opferwillig (so wie es Renan vermutlich verstand) und willens sind ihre Zukunft in der Internetgemeinschaft voranzutreiben. Somit ist Punkt 5 auch abgehakt.
Die virtuelle Nation Internet als Verbindung zwischen allen Menschen aller Zivilisationen ist offensichtlich ein Kulturmerkmal aller dieser Menschen und ermöglicht grenzenlose, effiziente Kommunikation (Punkt 2). Es haben sich gewisse Bräuche bei der Kommunikation im Internet herausgebildet (Emoticons, Betreffzeile im Email-Verkehr, überhaupt sind die üblichen Diskussionsforen stark strukturiert nach Inhalten und Form) Man darf daher mit Recht anmerken, dass somit den sonstigen Kulturunterschieden zwischen Individuen verschiedener Zivilisationen eine Gemeinsamkeit hinzugefügt wird, die weit über das nackte „Mensch-Sein“ hinausgeht. Somit lässt sich die Entwicklung der virtuellen Nation Internet als starker Zweifel an Huntingtons fatalistischen Clash der Zivilisationen anführen.
So wie kein englischer, französischer und spanischer König im 15. Jahrhundert vorhersehen konnte, dass seine Kolonien in der neuen Welt, d.h. einzelne Mitglieder ihrer Völker, eine neue Nationen bilden würden (allen voran die USA), so kann man auch die zukünftige weltpolitische Einordnung des Internets nicht vorhersagen. Einige oben gestellte Fragen und Probleme bleiben unbeantwortet, doch erfüllt das Internet „erschreckend“ viele Eigenschaften einer Nation, um den Begriff „virtuelle Natioin“ zu rechtfertigen.

Was soll das?


Welchen Nutzen kann man daraus ziehen, dass man das Internet als Nation bezeichnet?
Viele Menschen verbringen einen Großteil ihres Lebens im Internet. Sie entwickeln dort neue Ideen, Geschichte passiert in dieser „virtuellen Welt“. Es werden Waren in dieser Welt transportiert und gehandelt. Dieses virtuelle Land hat eine eigene Ökonomie und ihre Bewohner eine eigene Kultur. In einem Territorium, dass in einer anderen Ebene, als die Territorien der „konventionellen“ Nationen liegt. Noch gibt es keine kodifizierten Regeln der Internetgemeinschaft, aber teilweise werden Gesetze von einigen „konventionellen“ Staaten in dieser „virtuellen“ neuen Welt angewendet. Aber die verschiedenen Rechtsnormen der „konventionellen“ Staaten, denen die einzelnen Individuen der Internetgemeinschaft auch angehören, führen zu Widersprüchen. Die Auffassung des Internets als Nation könnte den Gedanken an eine Internetregierung, die Gesetze in dem virtuellen Raum erlässt, weniger lächerlich erscheinen lassen.
Aus einem anderen Blickwinkel kann man aber auch konstatieren, dass wenn man das Internet als Nation bezeichnen kann, dieser Begriff eine derartige Unschärfe und subjektive Definitionshoheit innehat, dass er aus dem wissenschaftlichen Diskurs verbannt werden sollte.
Durch die verbindende Wirkung des Internets sehe ich Huntingtons Prophezeiung als sehr unwahrscheinlich an und prophezeie selber, dass das Internet der Prototyp einer Weltnation wird, wenn dem nicht schon so ist.

Literatur


1 „It is my hypothesis that the fundamental source of conflict in this new world will not be primarily ideological or primarily economic. The great divisions among humankind and the dominating source of coflict will be cultural.“ Samuel P. Huntington: The Clash of Civilizations? (1993).
2 „Nation states will reamain the most powerful actors in world affairs, but the principal conflicts of global politics will occur between nations and groups of diffrent civilizations. The clash of civilizations will dominate global politics. The fault lines between civilizations will be the battle lines of the future.“ Samuel P. Huntington: The Clash of Civilizations? (1993).
3 „Dieser Einfluss auf öffentliche Debatten führte zu dem Vorwurf, Huntington habe eine ’Self-fullfilling Prophecy’ verfasst“. Oliver Bruns: Einwände gegen Huntingtons These vom „Kampf der Kulturen“ (2008).
4 „For a century and a half after the emergence of the modern international system with the Peace of Westphalia, the conflicts of the Western world were largely among princes-emperors, absolute monarchs and constitutional monarchs attempting to expand their bureaucracies, their armies,their mercantilist economic stringht and, most important, the territory they ruled. In the process they created nations states, and beginning with the French Revolution the principal lines of conflict were between nations rahter than princes. In 1793, as R.R. Palmer put it, “The wars of kings were over; the wars of peoples had begun.“ This nineteenth century pattern lasted until the end of World War I. Then as result of the Russian Revolution and reaction against it, the conflict of nations yielded to the conflict of ideologies, first amon communism, facism-Nazism and liberal democracy [...]. These conflicts between princes, nation states and ideologies were primarily conflicts wihtin Western civilization, “Western civil wars”, as William Lind has labeled them.[...] With the end of the Cold War, international politics moves out of its Western phase, and its centerpiece becomes the interaction between the West and non-Western civilizations and among non-Western civilizations.[...] It is far more meaningful now to group countries not in terms of their political or economic systems or in terms of their level of economic devolopment but rather in terms of their culture and civlization.” Samuel P. Huntington: The Clash of Civilizations? (1993).
5 „What do we mean when we talk of civilization? A civilizations is a cultural entity. Villages, regions, ethinc groups, nationalities, religious groups, all have distinct cultures at different levels of cultural heterogeneity. The culture of a village in southern Italy may be different from that of a village in northern Italy , but both will share in a common Italia culture that distinguishes them from German villages. European communities, in turn, will share cultural features that distinguish them from Arab or Chines communities.[...]The civilization to which he belongs is the broadest level of identification with which he intensely identifies.[...] Civilizations may involve a large number of people, as with China (“a civilization pretending to be a state”, as Lucian Pye put it).[...] A civilization may include several nation states, as is the case with Western, Latin American and Arab civilizations, or only one, as is the case with Japanese civilization.[...]Civilizationsobviously blend and overlap, and include subcivilizations.[...]Westeners tend to think of nation states as the principal actors in global affairs. They have been that, however,for only a few centuries. The broader reaches of human history have benn the history of civilizations.“ Samuel P. Huntington: The Clash of Civilizations? (1993).
6 „Civilizations are diffrentiated from each other by history, language, culture, tradition and, most important, religion.“ Samuel P. Huntington: The Clash of Civilizations? (1993).
7 „Second, the world is becoming a smaller place. The interactions between peoples of different civilizations are increasing; these increasing interactions intensify civilization consciousness and awareness of differences between civilizations and commonalities within civilizations.“ Samuel P. Huntington: The Clash of Civilizations? (1993).
8 „North African immigration to France generates hostility among Frenchmen and at the same time increased receptivity to immigration by “good” European Catholic Poles. Americans react far more negativel to Japanese investment than to larger investments from Canada and European countries.“ Samuel P. Huntington: The Clash of Civilizations? (1993).
9 Schon im Vorwort des Buchs „Network Nation“ (1993) von Hiltz und Turoff aus dem Jahre 1979 schreibt Suzanne Keller: „In their intriguing new book, Hiltz and Turoff explore the emergence of a new form of communication called computerized conferencing. [...] The authors expect it to revolutionize not only communications but social and intellectual life as well.“
10 Charakterisierung des Internets nach Christoph Engel „The Internet and the Nation State“ (1999)
11 „The question is most puzzeling, though the fact is so familiar“ in Bagehot: Physics and Politics (1872), S. 83
12 Dietmar Meister in Zwischen Faschismus und Widerstand. Nationalismen in Südtirol“ (2009), Magisterarbeit an der Uni Wien
13 Die Frage „Doesn’t everyone [...] know Germans who nervertheless have nothing of that which otherwise is regarded as the German national character?” beantwortete Bauer mit dem Versuch zwischen Ähnlichen Charaktären zu unterscheiden. Bauer: „deeper conception of a community of character; this no longer means for us that the individuals of the same nation are similar to each other but that the same force has acted on the character of each individual- no matter how different the other forces may be which are effective beside it [...] While [...] similarity of character can only be observed in the majority of members of the nation, the community of character, the fact that they all are the products of one and the same effective force, is common to all of them without exception. This effective force, that which is historical in us, is that which is national in us. It is this which welds us into a nation“
14 So kommt er zum Schluss, dass „nicht die Bestrebungen von Nationen [...] den Nationalismus [schaffen], vielmehr schaffe sich der Nationalismus seine Nationen“.

Freitag, 29. März 2013

Kolumnisten wären gerne Rapper

Jede ernstzunehmende Tageszeitung hat eine Kolumne auf der ersten Seite. Die Süddeutsche Zeitung hat beispielsweise „Das Streiflicht“ am linken Rand und der Tagesspiegel hat seine Kolumne unten in einer Box um das schwarzweiß gezeichnete Poträt des aktuellen Kolumnisten drapiert. Beim täglichen Zeitungskonsum lese ich die Kolumnen eigentlich nicht, da sie nicht mein Informationsbedürfnis über Tagespolitik und Ereignisse in der Welt stillen. Ab und zu lese ich die Kolumnen doch und daher fragte ich mich: Was ist eigentlich eine Kolumne und für wen wird sie geschrieben?

Kolumnen beziehen sich meistens auf Interessante Entdeckungen aus der Kategorie „Kuriosum“ oder provokante Äußerungen von C-Stars. Die Kolumne ist also nicht in erster Linie für die Leser da, sondern der Autor bekommt einen Platz zum stillen seines Mitteilungsbedürfnisses. Da das alleinige Mitteilen sinnloser Fakten oder Gedanken aber auf keinerlei Interesse beim Leser stößt, wird eine bestimmte Sprache und ein rätselhafter Ausdruck verwendet um beim Leser den Spieltrieb zu stimulieren. Der gemeine Leser liest die Kolumne also nicht, um informiert zu werden, sondern um in einer Art Spiel die rätselhaften Ausdrücke des Kolumnisten zu entschlüsseln. Wenn man tatsächlich die Wortspiele versteht und darüber schmunzeln kann, dann fühlt man sich dem Kolumnisten intellektuell ebenbürtig. Spaß am Rätselraten und Testen des eigenen Intellekts und Allgemeinwissens ist der Grund für das Lesen von Kolumnen. Gute Kolumnen schaffen schon fast poetische Texte. Man schaue sich z.B. das folgende Zitat an:
Die Gottesteilchen tanzen einem auf der Nase rum, sibirische Isobaren wirbeln ungebremst durch die Frühlingsluft, die Peta-, Exa- und Zettabytes rauschen nur so vorbei...(Das Streiflicht, 27. März 2013)
 Die Kolumnisten versuchen also auch einen gewissen Flow aufzubauen und spielen mit der Sprache. Das ist prinzipiell nichts anderes als Rap. Rap mit spießigem Inhalt und ohne Beats. Quasi der frühmorgentlich verträglicher Hip-Hop für die breite Gesellschaft.

Sonntag, 24. Februar 2013

Die Heizung

Eines der großen Tabus des deutschen Durchschnittsmieters sind die Heizkosten und der Zustand seiner Heizkörper. Es muss einmal gesagt werden: Ja, wir mussten auch dieses Jahr einen horrenden Betrag an Heizkosten nachzahlen und ja, wir müssen mit einem Hammer auf die Heizkörper einschlagen damit die kleinen Pinöpel rausflutschen um das heiße Wasser in die Heizkörper zu lassen.

Dieser Zustand ist anscheinend der Normalfall im Jahr 2013. Aber niemand traut sich wirklich darüber zu sprechen, wie er Sonntags durch die Wohnung mit Hammer und Zange bewaffnet läuft um die Heizkörper funktionstüchtig zu machen. Denn jeder gibt  vor eine einwandfrei funktionierende Wohnung die natürlich sehr sehr günstig ist, angemietet zu haben. Denn das zeugt von Vitalität, Durchsetzungsvermögen und Cleverness.

An alle die sich auch mit diesem Heizungsquatsch rumschlagen: Ja das ist normal!

Tschüss,
Sven

Samstag, 19. Januar 2013

Sido ist zum Bildungsbürger mutiert

Das super-intelligente Drogenopfer und der Bass Sultan Hengzt singen „Tritt mir nicht auf meine Jordans, tritt mir nicht auf meine Jordans, tritt mir nicht auf meine Jordans, sie sind imprägniert, frisch poliert, direkt importiert aus den USA“.

Siegersaule top
Nike
Tja unglaublich. Der Songtext kann quasi direkt als Grammatiklehrbuch für die bildungsbürgerlichen Kreise Dahlems und Potsdams, nicht nur für die kleinen Gangster aus dem Märkischen Viertel, verlegt werden. Sido ist wohl jetzt vollständig aus der verranzten Wohnung seines Blocks ausgezogen, irgendwo in eine große helle Wohnung mit Holzvertäfelung und einem schwarzen Konzertflügel im Wohnzimmer sowie einem bequemen Ohrensessel in den 3. Stock eines Altbaus mit hohen Decken und Dielen in einer ruhigen Charlottenburger Nebenstraße.
Sido wird seriös und singt nicht mehr übers Arschficken sondern schwingt sich auf in die Riege der alternden Hip-Hopper, in dem er über weiße Nike-Schuhe rapt. Genauso wie die Beginner die am Ende eines ihrer Musikvideos mit einem Ruderboot auf einem See untergehen und bis zum Ende ihre Nike-Schuhe über Wasser halten (Wie hieß das Lied nochmal? Ich komme nicht drauf). Danach kam aufjedenfall kein Hip-Hop mehr von den Beginnern und Jan Delay wühlte sich durch alle möglichen Musikstile.

An diesem Punkt scheint Sido nun auch angelangt zu sein.

Sido feat. BSH: Jordans: http://www.youtube.com/watch?v=MVfk28LvtwA

Ein witziges Cover von Y-Titty gibts nun auch:  http://www.youtube.com/watch?v=VaQBr3PSlo4.

Freitag, 11. Januar 2013

3. Etappe: Lönnhult - Krokstorp

Einer der vielen Seen
Wir sind um 8 Uhr morgens los und hatten um 16:30 die 21 Kilometer bewältigt. Die Etappe ist teilweise schlecht makiert, so dass wir uns ca. 5 mal verlaufen haben, was uns mindestens 1 h gekostet hat. Die Hütte ist gemütlich und hat einen Kamin. Direkt an einem netten See gelegen, außerdem gibt es Strom. Leider kein fließend Wasser und auch das Brunnenwasser sieht ungenießbar aus. Daher haben wir Wasser aus dem See genommen und abgekocht. Aus dem Gästebuch der Hütte erfuhren wir, dass der Laden auf der 4. Etappe geschlossen ist. Wir zählten unser Proviant nochmal durch:
Der Kamin in der Hütte
  • 8 Tütensuppen
  • 7 Scheiben Knäckebrot (groß) + 16 kleine Knäckebrot scheiben
  • Reis für 3 Tage
  • Kuskus für 2 Tage
  • 1 Tafel Schokolade
  • 1 Corny
  • 1 Kex
  • Müsli für 3 Tage
  • 4 Balisto
  • 6 Käsescheiben
  • 1 Avocado
  • Wurst für 3-4 Tage
  • Hartkäse für 1 Tag
  • Enige Tucs 
Somit waren wir wohl noch für 5 Tage versorgt und deshalb war der geschlossene Laden kein Problem.


So sieht's in der Hütte aus

Kaffe am nächsten Morgen

Rundfunkgebühren - sind die Irre?

Bundesarchiv Bild 102-08308, Berliner Funkausstellung, Rundfunksender Vielleicht hat es noch nicht jeder mitbekommen, aber seit dem 1.1.2013 muss jeder Haushalt in Deutschland 17,98 Euro pro Monat Rundfunkbeitrag zahlen.
Bis Ende 2012 musste jeder Haushalt in der Regel zwar auch 17,98 Euro zahlen (Rundfunkgebühr), aber falls im Haushalt kein Fernseher war (oder dieser verschwiegen wurde) so mussten nur 5,76 Euro bezahlt werden. Falls man gar kein Rundfunkempfangsgerät hatte, hätte man sogar gar nichts zahlen müssen.

Erstmal ganz witzig ist, dass der Öffentliche Rundfunk mitsamt Gebührensystemumstellung anscheinend auch das üble Image der GEZ und der von ihr eingetriebenen Rundfunkgebühr aufpolieren wollte. Anstatt aber einfach ein gerechtes Gebührensystem zu schaffen (schwieriger Weg) wurde der Einfachste gewählt: Umbenennung der Institution und der Gebühr. Die Gebühr hieß übrigens nie GEZ-Gebühr/Beitrag (dagegen verwahrte sich die GEZ), sondern Rundfunkgebühr. Die GEZ war nur die Gebühreneinzugszentrale. Nun heißt die Gebühr Rundfunkbeitrag, obwohl man Beiträge gemeinhin nur für Vereine bezahlen muss und aus Vereinen kann man austreten... Dem Rundfunkbeitrag kann man nicht entfliehen. Vielmehr berichtet die Welt, [1] dass sogar Daten der Einwohnermeldeämter nun zum Eintreiben der Gebühren Beiträge herangezogen werden. Die Institution heißt nun ARD-ZDF-Deutschlandradio-Beitragsservice.

Was mich ein wenig stuzig macht ist, dass ja nun jeder der vorher 5,76 Euro gezahlt hat fast 12,23 Euro mehr zahlen muss. Daher vermute ich, dass die Gesamteinnahmen der Ex-GEZ massiv steigen werden. Leider finde ich keine Statistik wie viele Gebührenzahler 2012 den verminderten Radio-Beitrag (5,76) und wie viele den vollen Beitrag zahlten.
Jedenfalls nahm die GEZ 2012 ca 7,5 Milliarden Euro ein bei 41 Millionen Beitragskonten. [2] Unter der Annahme, dass der Anteil der GEZ-Einnahmen 2012 und 2013 zum größten Teil von Privathaushalten stammt (laut SZ 92% [3]) und auch die Beitragskonten ungefähr gleichbleiben, ist eine starke Erhöhung der Einnahmen bei der GEZ/Beitragsservice für 2013 zu erwarten. Nimmt man an, dass 1 Million Beitragskonten Unternehmen zugeordnet sind (sehr hoch geschätzt), so zahlten 40 Millionen Bürger GEZ und zwar im Durchschnitt 13,70 Euro. Die Anzahl der Beitragszahler wird in etwa konstant bleiben im Jahr 2013, denn auch früher musste eine durschnittliche Familie nur einen Beitrag zahlen obwohl mehr als 1 Fernsehr vorhanden war. Die Systemumstellung von „Anzahl der Geräte“ auf „Anzahl der Haushalte“ mitsamt Umbenennung der Gebührenzentrale und der Gebühr sind nichts als ein Etikettenschwindel. Es ändert sich nichts grundlegendes, außer dass der Durchschnittsbürger mehr zahlt und der Öffentliche Rundfunk (ÖR) mehr einnimmt. Ich vermute unter obigen Annahmen, dass 2013 8,6 Milliarden Euro nur von den Privathaushalten an den ÖR gehen. Somit werden sich die Gesamteinnahmen vermutlich auf 9,4 Milliarden Euro für den Beitragsservice 2013 belaufen, was einer Einnahmenerhöhung um 25% entspricht. Die ARD schreibt zu diesem Punkt nur [4]
Die Rundfunkanstalten haben sorgfältige Annahmen getroffen, wie sich der neue Rundfunkbeitrag auf die Einnahmen auswirken wird. Sie sind dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass sich Mehr- und Mindereinnahmen etwa die Waage halten werden.
und weiter
Diese Berechnungen wurden auch der unabhängigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) vorgelegt, die die darin enthaltenen Grundannahmen für plausibel und nachvollziehbar erklärt hat.
Ich finde diese Entgegenung sehr schwach, da keine einzige Zahl genannt wird. Zwar wird auch noch geschrieben, dass etwaige Mehreinnahmen von ARD, ZDF und Deutschlandradio nicht ausgegeben werden dürfen, aber ich meine die zuständigen Politiker und Spitzenbeamten dachten sich eher: „was man hat, das hat man“.
Auch dass der Beitragssatz auf den Cent identisch bleibt, spricht dafür, dass die zuständigen Beamten entweder keine vernünftigen Gedanken über den neuen Beitrag gemacht haben oder ihre Gedanken von gierigen Politikern oder anderen höheren Beamten übergangen wurden.

Ein weiterer Treppenwitz ist, dass Unternehmen weiterhin Rundfunkgebühren zahlen müssen. Dabei soll doch die Rundfunkgebührenreform gerade sicherstellen, dass jeder Haushalt Rundfunkgebühren zahlt und somit jeder Bürger. Somit zahlt der Durchschnittsbürger gewissermaßen doppelt. Einmal privat und einmal indirekt über seinen Arbeitsplatz. Zwar ist der Beitrag nicht doppelt so hoch, aber trotzdem ist diese doppelte Abgabenabführung doch unnütz und könnte einfach in den privaten Beitrag einbezogen werden. Das würde ein einfacheres Gebührensystem bewirken und die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöhen. Aber wie oben erwähnt machen sich die zuständigen Politiker die Sache zu einfach und versuchen eine Akzeptanzerhöhung durch eine Umbennung der Gebühr und Institution: Etikettenschwindel.

Kurz zusammengefasst: Das neue System setzt einen vermutlich überzogenen Beitragssatz an und ist im Kern ein Etikettenschwindel.

Wenn man schon ein neues Gebührensystem auflegt, warum dann solch ein faules Ei? Warum nicht die grundlegenden Probleme beheben?
Hauptsächlich regt man sich doch nicht über die GEZ auf, weil man überhaupt etwas zahlen muss, sondern weil erstens nicht ehrlich kommuniziert wird und zweitens keine Gerechtigkeit herrscht.

Es wird nicht ehrlich kommuniziert, weil die Gebühr bzw. der Beitrag de facto keine Wahlfreiheit lässt. Ich kann nicht aus dem GEZ-Verein austreten und ich kann auch nicht den Verein wechseln. Stromanbieter oder Telefonanbieter kann man immerhin wechseln. Die GEZ kann man nicht wechseln.
Es gibt hier viele Möglichkeiten:
  • Verschlüsselung des Programms: Würde man den ÖR verschlüsseln (was im Übrigen jeder halbwegs seriöse Pornoanbieter schafft) und bei Sky oder anderem PayTV anscheinend auch keine Probleme bereitet, so hätte der Bürger eine Wahl. Er könnte sagen: Ja, mir sind unabhängige und seriöse Nachrichten und Hintergrundberichte 18 Euro im Monat wert. Oder er könnte sagen: Nein, mir sind Musikantenstadl und 10 verschiedene Talkshows nicht 18 Euro wert. Ein weiterer Effekt wäre, dass der ÖR vom Beitragszahler steuerbar wäre. Falls reihenweise Beitragsszahler abspringen wäre der ÖR gezwungen sein Programm zu ändern um weiter zuexistieren.
  • Finanzierung aus Steuermitteln. Die Grundidee des ÖR ist heute überholt. In Zeiten des Internets kann sich jeder unabhängige Nachrichten und Informationen ohne Staatskontrolle beschaffen. Solange die Internetprovider und Serverprovider nicht staatlich kontrolliert werden muss niemand Angst vor einer Zensur durch die Regierung haben. Die Trennung von Rundfunk und Regierung ist zwar positiv zu bewerten, aber hinkt in unpraktikabler Art an der Finanzierung. Es ist nicht mehr gerechtfertigt die himmelschreiende Gebührengungerechtigkeit aufrechtzuerhalten nur um die Pseudounabhängigkeit von der Regierung sicherzustellen. Die zuständigen Gremien sind von Politikern besetzt und somit hat die Regierung auch schon heute theoretisch die Möglichkeit den Rundfunk zu beeinflussen. Eine Finanzierung aus Steuermitteln wäre viel gerechter, da dann Multimillionäre mehr beitragen müssten als einkommensschwache Studenten. 18 Euro für Jeden ist einfach unzumutbar für Geringverdiener. Eine Einflusseinnahme auf die Programme und übertragenen Informationen durch die Regierung ist nicht zu befürchten, weil solch eine Beeinfussung sofort durch andere Medien: Internet, Zeitung, privates Fernshehen usw. publik und die Regierung derart diskreditieren würde, so dass sie nicht mehr wählbar wäre.
Die Frage ist also: Warum wurde keine richtige Rundfunkreform durchgeführt, d.h. eine auf Gerechtigkeit basierende Reform. Dieser Etikettenschwindel zeigt nur, wie unfähig die jetzige Regierung ist. Sie will nur zeigen, dass sie handelt. Eine vernünftige Regierung sollte aber bitte nur handeln, wenn das Ergebnis auch sinnvoll ist. Falls nur sinnlose Handlungen durchgeführt werden, dann bitte einfach mal nichts tun!
  1. welt.de am 26.12.12: Der Etikettenschwindel mit dem neuen GEZ-Beitrag
  2. Zahlen zur GEZ auf Wikipedia: ARD-ZDF-Deutschlandradio-Beitragsservice#ARD-ZDF-Deutschlandradio-Beitragsservice
  3. SZ vom 11.01.2013: Wo ein Kläger, da ein Richter
  4. Faktencheck zum neuen Rundfunkbeitrag auf ARD.de

Samstag, 5. Januar 2013

Ein politisch inkorrekter Essay über die Mentalität der Nordamerikaner

Momentan verweile ich in Kalifornien, dem wohl amerikanischsten Teil Amerikas. Eigentlich lässt es sich hier (vermutlich) sehr gut leben (auch wenn einem schon sehr viele Obdachlose über den Weg laufen und die Obdachlosen nicht dem üblich besoffenen und verdrogten Typus, wie sie in Deutschland anzutreffen sind, entsprechen sondern vielmehr größtenteils als verrückt und humpelnd zu charakterisieren sind) , aber trotzdem muss ich ein paar Sachen ansprechen, die ich höchstverwirrend finde. Außerdem folgt aus meiner Verwirrung dann immer eine Verwirrung beim amerikanischen Gegenüber.

Der Anfang macht der Supermarkt und die im Supermarkt befindlichen Starbuck-Cafés. Ersteinmal sind die meisten Verpackungsgrößen so groß, dass ein einfaches reisendes Paar keine Chance hat den Inhalt innerhalb eines Jahres aufzubrauchen. Zum Beispiel sind uns Croissants verwehrt, da es diese nur in 30ger Packs gibt. Wer zur Hölle soll 30 Croissants zum Frühstück essen???? Verrückt. Wenn man dann zum Supermarkt-Café geht und einen Tee bestellt, dann passiert die nächste Verwirrung: Die Verkäuferen gibt einem Eistee. Da guckt man natürlich verduzt. Um einen normalen Tee zu bekommen muss man explizit „hot“ tea sagen. Etwas ähnliches beim Käse: Generell sind Gouda, Camembert und Konsorten nur im Regal für italienische Spezialitäten zu finden. So weit so komisch. Wenn man nun Produkte mit Käse kaufen möchte, zum Beispiel hat man ein Käse-Croissant in der Hand und freut sich über ein Croissant, dass entweder mit Käse überbacken ist oder Käse im Inneren hat, so kann es zu Enttäuschungen kommen. Wenn sich nämlich herrausstellt, dass der Amerikaner unter cheese erstmal Frischkäse, also cream cheese, versteht und nicht „harten“ Käse.
Noch etwas komisches sind die Wärmeinseln mit fertigen Broilern, Mac'n'cheese etc. Diese Inseln versprühen einen sehr ekligen Frittenbudengestank, so dass man sich tunlichst von ihnen fernhalten sollte. Außerdem kostet ein ganzes Hähnchen dort nur $5, die Qualität des Bräulers ist dann natürlich auch nicht besser als dessen Geruch erwarten lässt.

Wenn man es nun geschafft hat die Dinge die man so braucht einzukaufen und zu bezahlen, so wird man gefragt ob man Hilfe braucht um die Sachen zum Auto zu transportieren. Falls man dies bejaht, so werden die Einkaufstüten mittels eines Golfautos zum Auto transportiert. Ja! Die Einpackperson packt die Tüten in ein Golfauto und fährt damit 7 Meter zum richtigen Auto.

Somit sind wir beim Nächsten Punkt angekommen: Das Auto! Ohne Auto bewegt sich der Kalifornier nicht fort. Es ist auch verständlich warum, denn es ist unmöglich zu Fuß irgendwo hin zu gelangen. Ein normaler Parkplatz ist so groß wie ein europäisches Stadtviertel. Das Nachbarhaus (auch mitten in einer Großstadt) ist mindestens 10 Minuten Fußweg entfernt (ok ich übertreibe ein wenig... aber es ist sehr weit weg). Die gesamte Stadtplanung ist aufjedenfall aufs Autofahren ausgelegt und alles ist so weitläufig, dass zu Fuß gehen einfach unmöglich ist.
Zusätzlich sind die Straßen riesig, denn es gibt ihr haufenweise Autos die ich eigentlich als Trecker oder Truck bezeichnen würde, aber anscheinend normale PKWs sind die zum Einkaufen und dergleichen verwendet werden. Eines der ganz großen ist ein bestimmtes Ford-Pickup-Modell, das so groß ist, dass die Oberkante des Kühlergrills bis zu meinem Hals reicht. D.h. wenn ich direkt vor dem Auto stehe, sieht mich der Fahrer vermutlich nicht, weil ich nicht oder nur knapp über die Motorhaube schauen kann.
Dieses Paradies des Autofahrens und zugehörige Stadtplanung führt leider dazu, dass es größtenteils kein Straßenleben oder gar Straßencafés, Fußgängerzonen usw. gibt. Das Extrembeispiel ist Sacramento und auch Las Vegas (Nevada). Man bekommt teilweise Angst normale Straßen entlangzugehen, weil einem einfach niemand als Fußgänger entgegenkommt und auch die Straßenbeleuchtung eher mager ist. Als Beispiel mag mal die Gegend um Mission Beach in San Diego dienen: Eine Halbinsel mit einer dichtbebauten Straße direkt an einem himmlisch schönen Pazifikstrand und sehr nah dem Stadtzentrum von San Diego. Wäre diese Gegend in Europa gelegen, so würden sich hier Straßencafés an Bars und Bistros reihen und gerade zur Meerseite hinaus würden zahlreiche Restaurants ihre Veranden und Terassen haben. Hier gibt es auch einige Restaurants und Bars, aber alle sind ausschließlich indoors und niemand spaziert die Straße entlang. Vielmehr fahren alle genau zu dem Restaurant mit dem Auto in dem sie sich verabredet haben, essen dort und fahren dann wieder weg. Es werden so wenig Schritte wie möglich unter freiem Himmel getan. UNGLAUBLICH!!!
Nochwas. In Europa gibt es Autos die Wohnwagen ziehen. Total normal. Hier gibt es Wohnwagen die Autos ziehen. Ja genau, richtig gelesen. Verrückt!

Eine weitere komische Sache ist die Bettwäsche. In Europa, zumindest in Deutschland, hat man das Bettinnenleben, das in Bettzeug bzw. Bettbezügen eingetütet wird. Hier hat man eine Bettdecke ohne Bezug, die auf ein Laken gelegt wird, oben drauf kommt noch ein Laken. Quasi ein Sandwich aus Laken, Bettdecke, Laken. Wobei alle drei Schichten völlig auseinanderdriften wenn man sich auch nur öfters als 3 mal im Bett bewegt. Total unsinnig!!!

Das TV-Programm ist im Übrigen der größte Schrott überhaupt. Einzig ertragbar ist HBO (Pay TV). Ehrlich gesagt ist HBO sogar sehr sehr gut. Dagegen ist das Radioprogramm der Hammer. Es gibt hier 3 Radiobänder: AM, FM und XM. Im letzteren Band (vermutlich digitales Radio?) befinden sich ca. 200 Radiosender ohne Werbung, die jeweils einen Musikgeschmack abdecken. Auch ein Kanal mit Hörbüchern ist unter denen. Die Sender sind wirklich wirklich gut und wirklich jeder Musikgeschmack ist abgedeckt, ohne den bekannten Radio-Pop-Mix-Mist.
Noch eine geniale Sache Kaliforniens ist die Berglandschaft. Man befindet sich 1 h vom Badestrand entfernt und es liegt Schnee! Ja! In Kalifornien fährt man in sehr kurzen Abständen durch extrem heiße trockene Wüsten und dann durch verschneite Berge. So sieht's aus!

Tschüss und besucht auch mal Kalifornien. Es ist einfach nur irre (im wahrsten Sinne des Wortes)